12197781_lel
Geschichten
Auf den Spuren von Peter Lustig - Tiny Houses

Der Traum vom eigenen Haus muss nicht groß sein. Manchen reichen bereits 20 Quadratmeter zum Glücklichsein – in sogenannten Tiny Houses. Was genau darunter zu verstehen ist, was es beim Aufstellen zu beachten gilt und ob sie mehr als ein Trend sind, haben wir zwei Menschen gefragt, die es wissen müssen.

12197781_lel

Viele erinnern sich bestimmt noch an Peter Lustig und seine berühmten Kindersendungen „Pusteblume“ und „Löwenzahn“. Der kauzige Typ mit Nickelbrille und Latzhose begeisterte mit seinen Live-Hacks und Geschichten nicht nur Kinder. Er ist rückblickend auch ein Pate des heutigen Tiny-House-Trends. Lustig zeigte auf, dass es nicht viel braucht für ein komfortables und naturnahes Leben. Ein blauer Bauwagen mit rosafarbener Terrasse obendrauf, fertig. Heute sind solche winzigen Häuser – Tiny Houses – ein gefragter Sehnsuchtsort für gestresste Städter.

 

Fest definiert ist der Begriff des Tiny Houses übrigens nicht. In der Szene kristallisiert sich aber heraus, dass darunter kleine mobile Häuser auf Rädern gemeint sind. Mini- oder Modulhäuser stehen dagegen an einem festen Ort. So sehen das auch Michael Heller und Theresa Mai. Sie betreiben eigene Werkstätten, die mobile Tiny Houses mit viel Liebe zum Detail bauen. Heller leitet die Tiny House Manufaktur in Köln, Mai hat im österreichischen Gutenstein den Wohnwagon entwickelt. Beide haben wir unabhängig voneinander interviewt – als säßen wir zusammen am Esstisch eines Tiny Houses.

 

Redaktion: Warum interessieren sich so viele Menschen für ein Tiny House?

Theresa Mai: Immer mehr Menschen fragen sich, wie sie ihr Leben einfacher, naturnäher und mit weniger finanzieller Belastung gestalten können. Autarkie und kleines Wohnen sind dabei eine spannende Lösung. Unsere Kunden wollen unabhängig sein und wünschen sich dennoch einen gewissen Wohnkomfort – sie schätzen hochwertige Materialien, reduzieren sich aber beim Platzbedarf gerne auf das Wesentliche. Das Hauptmotiv ist also: gut zu wohnen.

Michael Heller: Das sehe ich auch so: Viele Menschen wollen sich besitzmäßig verkleinern und Ballast abwerfen. Es gibt auch die Tendenz, durch den Kauf eines Tiny Houses Geld sparen zu wollen, wobei dies nicht so einfach zu verwirklichen ist. Hier muss der Kaufpreis eines Tiny Houses mit der Miete oder dem Kaufpreis einer Wohnung gegengerechnet werden.

RE: Wie viel Wohnfläche bieten Tiny Houses?

MH: Unsere Tiny Houses sind alle 2,55 Meter breit, 4 Meter hoch und zwischen 6,50 und 7,20 Meter lang. Idealerweise ergibt dies eine Wohnfläche von ca. 16 bis 18 Quadratmetern.

TM: Mit einer Größe von 18 bis 40 Quadratmetern durchdachter Wohn-, Büro- oder Geschäftsfläche bleibt der Fokus bei unseren Wohnwagons auf dem Wesentlichen. Dies zeigt, wie autarkes, zukunftsfähiges Wohnen auch auf kleinstem Raum funktionieren kann. Ein Tiny House macht Lust, das Thema Wohnen neu zu denken.

GettyImages-1358463474

RE: Lässt sich ein Tiny House überall aufstellen?

TM: Rein theoretisch bieten Tiny Houses viele Freiheiten, die in der Praxis aber durch zahlreiche baurechtliche Vorschriften eingeschränkt werden. Prinzipiell muss zwischen stationären und mobilen Tiny Houses unterschieden werden. Bei stationären Tiny Houses handelt es sich um normale Wohngebäude, nur eben in kleinerer Ausführung. Deswegen müssen sie auch von der Baubehörde genehmigt werden. Bei mobilen Wohnprojekten auf Anhängern oder Wägen sieht es ein bisschen anders aus. In diesem Fall ist das Fundament nicht mit dem Erdboden verbunden und das mobile Tiny House kann temporär auch ohne Baugenehmigung abgestellt werden. Soll es aber länger auf einem Stellplatz stehen oder wird es sogar als Hauptwohnsitz genutzt, unterliegt es wiederum dem Baurecht. Egal, ob es Räder hat oder nicht.

MH: In der Praxis ist dieses Thema leider tatsächlich die nahezu größte Herausforderung eines jeden potenziellen Kunden. Oft ist das Geld für den Kauf eines Tiny Houses vorhanden, aber das Projekt scheitert am fehlenden Stellplatz,

was wiederum oftmals an den fehlenden Genehmigungen liegt. Oder am Wunschort ist kein entsprechender Stellplatz zu finden.

RE: Warum tun sich die Behörden so schwer mit Tiny Houses?

MH: Sie entsprechen nicht klassischen Häusern. Insofern weichen sie von gängigen Bauvorschriften ab. Wenn ein Antrag zum Aufstellen eines vollökologischen Tiny Houses gestellt wird, sind viele Sachbearbeiter irritiert. Dazu kommt, dass manche Vorschriften bei Tiny Houses nicht greifen, sodass eine flexible Entscheidungspolitik seitens der Behörden notwendig wäre.

RE: Gibt es aus Ihrer Erfahrung Kniffe, wie es leichter klappt?

TM: Auch im Baurecht gibt es Ausnahmen und Sonderlösungen. So erlaubt es der Nutzungszweck „Grünland Land- und Forstwirtschaft“ unter gewissen Voraussetzungen, mobile Tiny Houses wie den Wohnwagon aufzustellen. Zum Beispiel, wenn mit dem Gebäude die Pflege und Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Fläche sichergestellt wird. Im Grünland-Kleingarten lässt sich der Wohnwagon ebenso aufstellen. Aber auch hier müssen einige Vorschriften, wie zum Beispiel die maximale Gebäudehöhe, beachtet und um eine Baubewilligung ersucht werden. Es werden auch immer wieder Flächen für temporäres Wohnen oder innovative Leuchtturmprojekte zur Verfügung gestellt. Damit kann eine Gemeinde ein Statement für nachhaltiges Wohnen setzen. Wichtig ist, dass bei solchen Sonderlösungen offen mit den Behörden kommuniziert wird. In einigen Fällen sind uns solche Sonder­varianten schon gelungen – eine Garantie oder ein Recht auf eine Sondergenehmigung hat man jedoch nicht.

GettyImages-1163500808

RE: Herr Heller, Sie meinten, dass viele Menschen mit Tiny Houses Geld sparen möchten – was kostet ein hochwertiges, ökologisches Tiny House?

MH: Wir bieten ökologische, schlüsselfertige und zu 100 Prozent nach den Wünschen unserer Kunden gestaltete Tiny Houses zu einem Preis ab ca. 67.000 Euro an.

TM: Bei uns liegen die Preise für einen Wohnwagon zwischen 90.000 und 190.000 Euro – je nach Ausstattung und Autarkiegrad. Billig ist das nicht. Aber wir bauen in Österreich und fertigen jeden Wohnwagon als liebevolle, individuelle Einzelanfertigung. Regionale Kreisläufe und Arbeitsplätze sind uns wichtig. Alles ist modular aufgebaut. Wir verwenden Baustoffe aus der Natur – Holz, Schafwolle und Lehmputz. Für uns stehen ein gesundes Wohnklima und eine nachhaltige Bauweise eindeutig im Vordergrund. Dafür steigt der Erholungs- und Wohlfühlfaktor im eigenen kleinen Zuhause.

RE: Was ist möglich, um auch im Tiny House nicht auf den gewohnten Komfort verzichten zu müssen?

MH: Im Grunde ist fast alles möglich. Zum Beispiel können mehrere Tiny Houses zusammengekoppelt werden, sodass sich die Wohnfläche vergrößert. Und bei der Ausstattung gibt es immer die Möglichkeit, individuelle Wünsche zu berücksichtigen.

TM: Mit dem Wohnwagon besteht die Möglichkeit, sein Haus weitestgehend selbst zu versorgen. Wenn mit unserem Autarkiepaket gut gehaushaltet wird, sind die Fixkosten im Betrieb extrem gering. Strom? Wird selbst gemacht! Gasrechnung? 3 bis 4 Festmeter Holz im Jahr, das war’s. Wasser? Wird durch Regenwasser und Filtertechnik ins Haus gebracht. Autarkie ist aber ein Prozess. Einige Wohnwagon-Kunden haben die 100 Prozent Autarkie bereits geknackt, andere sind auf dem Weg dorthin. Gerade für den ersten Winter ist ein externes Backup mit einem Stromkabel vom Nachbarn oder einem Aggregat durchaus sinnvoll.

RE: Jetzt mal Hand aufs Herz – wird aus dem Tiny-House-Bereich ein echter Markt für nachhaltiges Wohnen?

MH: Wir gehen von einer langanhaltenden Entwicklung aus, ja. Denn bisher ist kein Ende des Trends zu erkennen. Was die Nachhaltigkeit angeht: Die Lebensdauer unserer Tinys schätzen wir – bei entsprechender Pflege – auf über 30 Jahre. Außerdem verbauen wir möglichst ökologische Materialien, die wieder abbaubar sind. Beispielsweise verwenden wir zur Wärmedämmung fast ausschließlich biozidfrei haltbar gemachte Schafswolle.

TM: Ob ein Markt nachhaltig ist, liegt oft an den Akteuren, die mitwirken, und welche Firmenphilosophie sie vertreten. Aus unserer Erfahrung funktioniert es am besten, wenn man Projekte gesamtheitlich betrachtet: Wie viel braucht der Nutzer wirklich? Was schenkt uns die Natur an Energie und Wasser? Wie kombinieren wir moderne Technik und altes Wissen? In den Synergien liegt die Kraft.

RE: Vielen Dank für Ihre Antworten, Frau Mai und Herr Heller.

Mein Traumbad (0)